Freie Medien für mehr Transparenz und Entwicklung

Entwicklungskiller: Zensur

Blog von: Karla Sponar
Blog von: Karla Sponar

Worüber man nicht sprechen kann, soll man schweigen, schrieb der Philosoph Ludwig Wittgenstein.

Präsident Obama konnte am letzen Aprilwochende sprechen. Er hatte sich entschlossen, ein unbequemes Thema nicht unter den Teppich zu kehren. Er hatte Worte dafür gefunden. Nicht die schärfsten, dennoch: sie waren geeignet, auf ein ungeheuerliches Unrecht wirkungsvoll aufmerksam zu machen.

Nach welchem Recht – oder Unrecht – hätte der amerikanische Präsident über die Morde an den Armeniern zwischen den beiden Weltkriegen schweigen sollen? Sollte etwa das Unbehagen einiger Politiker eines anderen Staates stärker wiegen oder der Wunsch, ein Thema von allgemeinem Interesse offiziell nicht aufarbeiten zu wollen? Obwohl dies internationale Beziehungen belastet? Über ein Thema von allgemeinem Interesse muss gesprochen werden. Eine Instanz, die das Gegenteil verordnen will, setzt sich dem Vorwurf aus, ein Problem nicht lösen zu wollen.

Deshalb dürfen Medienfreiheiten nicht als Luxus reicher Staaten hingestellt werden. Medienfreiheiten sind Teil der Menschenrechte. Die Kontrollfunktion der Medien stärkt gute Regierungsführung und fördert Transparenz. Dennoch sinkt der Grad der Medienfreiheit in der Welt kontinuierlich, mittlerweile das sechste Jahr in Folge, wie Freedom House in seinem letzten Bericht zur Lage der Welt und zur Lage der Medien im speziellen festhält. Hinzu kommen subtilere Formen der Medienkontrolle. Offene Zensur ist unpopulär, verschlechtert das Image im internationalen Ranking und weckt kein Vertrauen bei Investoren. Dazu haben regelmäßig veröffentliche Länderanalysen beigetragen, sowie die Jahresberichte entlang der Indikatoren für gute Regierungsführung und menschliche Entwicklung nach dem Human Development Konzept. Dies sind wichtige Bezugspunkte für die nationale, lokale und auch internationale Politik geworden. Das ist mehr als Papier. Das ist auch ein Verfahren, um Informationen über die Entwicklung weltweit transparenter zu machen.

Um von einer Politik abzulenken, die an Menschenrechten vorbei regieren will, reicht es offenbar nicht mehr, Kontrollmechanismen im Medienbereich zu verdecken etwa dadurch, dass Zensurmaßnahmen in schöngefärbte Begriffe gehüllt werden, die möglichst demokratisch klingen. Das zeigt zum Beispiel das Schicksal des venezolanischen Gesetzes über soziale Verantwortung im Rundfunk, abgekürzt „Ley resorte“. Es ermächtigt die Regierung darüber zu entscheiden, ob veröffentlichte Informationen für die Gesellschaft nützlich sind oder nicht und so unliebsame Medienberichte zu verbieten – prominentestes Beispiel war die Schließung des Privatsenders RCTV. In einem Rundumangriff ergoss sich jüngst der Ärger des Direktors im staatsnahen Venezolanischen Sender Telesur gleich auf den gesamten privaten Rundfunk, dem er ständigen Medienterror vorwarf.

Abseits solch pauschaler Anklagen wächst der Trend, Zensur in private Hände zu legen, sie sozusagen auszulagern.Dazu werben Regierungen Internetfirmen an, Blog-Dienstleister, Cybercafés und Mobilfunk-Anbieter. So sollen Nutzer beobachtet, ihre unliebsamen Veröffentlichungen unterdrückt und die Autoren gegebenenfalls eingeschüchtert werden. Ein weiterer Trend liegt darin, Gespräche im Netz mit verdeckten Agenten zu manipulieren.

Dabei ist nicht nur Zensur wirtschaftlich schädlich – Outsourcing ist es auch. Das gibt jetzt sogar die Beraterfirma McKinsey zu. Am Ende zahle das Unternehmen drauf. Die hoch dotierten Berater, die unzählige Male selbst die Auslagerung von Teilbereichen eines Unternehmens empfohlen haben, rudern jetzt zurück, wie sie kostenlos auf ihrer Homepage verbreiten.

Frei verfügbar ist auch die Analyse von UNESCO, die weltweit untersuchte, welche Bedeutung freie Medien für die Entwicklung eines Landes haben. Fazit: Unabhängige Medien zwingen alle, transparenter zu werden und stärker auf Wählerinteressen einzugehen. Zudem schaffen Staaten, die Medienfreiheiten politisch konkret befürworten, ein Klima, dass die Wirtschaft fördert. Ein Beispiel aus Uganda zeigt, wie wirkungsvoll Medien in einer Aufklärungskampagne gegen Korruption mitwirken können. Mit einer Initiative zum verbesserten Informationszugang bei der Schulförderung gelang es, 80 Prozent des vorgesehenen Förderbetrags in die Schulen zu investieren – vor der Initiative waren nur 20 Prozent der Gelder angekommen.

Freedom House berichtet ferner, dass sich der Kreis ziviler Internet-Aktivisten ausweitet. Sie haben ihre Methoden verfeinert, um vormals unterdrückte Informationen öffentlich einzubringen. Auch ärmere Staaten konnten ihren Stand im Ranking zur Internetfreiheit verbessern, weil sie neue Gesetze beschlossen und so beispielsweise den Zugang zur Information verbesserten. Zudem hat sich die Internetnutzung in sechs der 15 erstmals untersuchten Länder innerhalb von zwei Jahren verdoppelt, in drei Ländern hat sich auch die Zahl der Mobilfunknutzer um 50 Prozent erhöht.

Medienfreiheit rechnet sich gesamtgesellschaftlich. Amartya Sen, Nobelpreisträger für Wirtschaft, hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass noch nie eine substantielle Hungersnot in einem freiheitlich-demokratischen Land mit einer freien Presse vorgekommen ist. Die volle Wirkung entfaltet Medienfreiheit, wenn sie auch eine Vielfalt an Medieninhalten hervorbringt und verantwortlichen Journalisten ermöglicht, ihren Beruf auszuüben. Hierzu müssen sich Nord- und Südpartner gleichermaßen Gedanken machen, wie sie dies per Gesetz und über weitere Anreize fördern wollen.

Karla Sponar

Die Journalistin arbeitet für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ist Beraterin in der Medienentwicklungsförderung und Dozentin für „Medien und Politik“.

Nächster Blog:

John Samuel, Bangkok/Thailand, Internationaler Leiter von Actionaid (internationale Entwicklungsagentur zur Beseitigung von Armut und Ungerechtigkeit) sowie Chefredakteur des Online-Portals für Indien „Infochange News and Features“. Diese Webseite informiert über Themen, die in den etablierten Medien selten wahrgenommen werden, um Randgruppen stärker am politischen Prozess zu beteiligen.

Share/Save

Kommentare

Sie können gerade keine Kommentare abgeben.