Nachrichten als Rohstoff – Erfahrungen aus Afrika
Die meisten afrikanischen Regierungen und Schlüsselakteure im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit argumentieren derzeit wiederholt, dass die Millennium Entwicklungsziele (MDG) bis 2015 nicht erreicht werden können. Sie begründen dass mit fehlenden finanziellen Mitteln und einem feindlichen wirtschaftlichen Umfeld. Fehlender politischer Wille wird selten angesprochen, ebenso wenig Missbrauch bestehender Ressourcen – beides Bereiche, die dringend mehr Aufmerksamkeit benötigen. Empirische Belege zur Verwirklichung der Entwicklungsziele zeigen, dass es für Regierungen in Entwicklungsländern zu früh ist, diese Ziele aufzugeben, da gerade erst die Hälfte der Zeit bis zur gesetzten Frist verstrichen ist.
Aktivisten für die Bekämpfung der Armut haben auf der anderen Seite eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sowie die Ungleichheit als Schlüsselprobleme genannt, die dringend angegangen werden müssen. Vor allem haben sie sich bemüht, gute Ergebnisse zu feiern, dort wo sie erkennbar waren. Es wurde argumentiert, dass viele Regierungen bestehende Ziele, die mit den Entwicklungszielen verbunden sind, erreichen und diese sogar übertreffen können. Alle sind sich einig darin, dass das Bestreben der Bürger, ihre Regierungen zur Verantwortung zu ziehen, verstärkt werden muss.
Die Medien sind ein kritischer und wichtiger Akteur, wenn es darum geht, die genannten Situationen abzubilden und Schlüsselprozesse in Gang zu setzen, die sich auf die Entwicklungsziele ausrichten. Würde die Zahl der täglich in Afrika produzierten Medienunternehmen und Produkte gezählt, wären Auflagen und Publikationsdichte phänomenal. Ein Lob für die Vielfältigkeit. Aber bei gründlicher Auswertung und kritischer Analyse geben die inhaltliche Qualität und die bunt gemischten Besitzverhältnisse zu denken.
Betrachtet man zunächst die Fälle, wo Medien überwiegend staatlich betrieben werden, wie in Zimbabwe und Namibia, zeigt sich, dass Regierungsfunktionäre Medienarbeit darauf reduzieren, nur über gute Leistung zu berichten. Die Medienmacher sind in derartigen Prozessen „eingebettet“. Selbst dort, wo sie freier agieren könnten, werden sie zu sehr großen Sprachrohren der Regierung. Private Medien werden oft scharf attackiert und in Bezug auf das, was Mainstream-Politiker Nationenbildung nennen, als schädlich abgetan. Kritische Begleitung von Regierungsaktivitäten hat diese Art von Journalismus zur Marke gemacht, die sich als unabhängig oder oppositionell bezeichnen darf.
Praktikern in diesem Medienbereich wird der Ausbau der Pressefreiheit und die Liberalisierung der Radiowellen zugeschrieben. Der Kampf um die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung bringt verschiedene Muster von Journalismus hervor. Solche Prozesse ermöglichen der Zivilgesellschaft, ihre Regierungen zur Verantwortung zu ziehen. Konzentrieren wir uns auf Versprechen, die Regierungschefs zur Millennium-Erklärung gegeben haben.
Die Pressefreiheit ist ein Bürgerrecht, eines dass der Zivilgesellschaft ermöglicht, von den Regierungen einzufordern, was sie versprochen hat – etwa bei der UN-Millennium-Erklärung: Armut ausrotten, Ungleichheit erheblich senken, faire Staatsführung und die Erfüllung der Menschenrechte.
Unsere Erfahrung in Afrika zeigt, dass Bürger in Ländern mit respektierter Pressefreiheit stärkeren Zugang zu privaten Radiosendern hatten. Staaten wie Mali, Ghana, der Senegal, Sambia und Gemeindesender in Südafrika zählen dazu. Die meisten Koalitionen in Afrika beteuern, dass sie das Budget zur Förderung der Sozialbezüge erhöhen und gegen den Hunger kämpfen wollen. Die Bereiche Bildung, Gesundheit und Landwirtschaft werden bevorzugt beobachtet, um den Fortschritt gegenüber bestehenden Verpflichtungen zu messen.
Paradoxerweise haben Aktivisten von Nicht-Regierungsorganisationen oft argumentiert, dass Medien sie vernachlässigen, nicht ausreichend oder nur sporadisch über sie berichten. Verpasste Gelegenheiten sind: vertiefte Berichte zu Nahrung, Brennstoff, Dünger und Finanzkrise.
Immer wenn Medien bei einigen besonderen Anlässen direkten Kontakt zu Nicht-Regierungsorganisationen in Afrika hatten, führte das zu einer beachtlichen Anzahl von Geschichten, die verschiedene Stufen von Errungenschaften der Entwicklungsziele erkannt und Herausforderungen bis 2015 hervorgehoben haben. Als der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon beispielsweise 2007 Ghana besuchte, hatten einige Radio-Talk-Sendungen seine Aussagen mit Hinweisen aus Schattenberichten von Nicht-Regierungsorganisationen abgeglichen. Als Folge davon forderten Bürger, die Entwicklungsziele schneller zu erreichen und drängten ihre Regierungen dazu, sich auf die Lücken statt auf ausschließliche Berichterstattung über ihre Erfolgsgeschichten zu konzentrieren.
Ein Land wie Kenia sendet gemischte Signale. Dort gibt es eine Fülle von unabhängigen Medienunternehmen und eine rege Berichterstattung über Entwicklungsthemen in den Staatsmedien. Ein interessanter Faktor ist jedoch die Rolle der Marketingabteilung, die ein freies Umfeld für diejenigen schafft, die es sich leisten können, Sendezeit zu kaufen. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich die Marketingabteilung bei dir meldet, falls du ein Pressepaket oder eine Presseerklärung geschickt hast, um zu erfahren, ob du die finanziellen Mittel für die Berichterstattung hast. Dies ist eine Herausforderung, die mit der Umwandlung der Nachrichten in Rohstoffe entstanden ist. Wer starke finanzielle Ressourcen hat, dem wird ein erstklassiger Platz für die Berichterstattung geboten. Erkaufte Berichterstattung? In Fällen, wo eine solche „Medien-Partnerschaft“ gefestigt wurde, gab es als Bonus eine bevorzugte Berichterstattung bei den Hauptnachrichten des Tages.
Das ist die aufkommende Herausforderung: die Umwandlung der Nachrichten in Rohstoffe. Damit geht der Trend einher, dass Medienunternehmen das öffentliche Interesse an Nachrichten zunehmend finanziellen Gesichtspunkten unterordnen und die Berichterstattung danach gestalten. Das höhlt die Eigenständigkeit staatlicher wie privater Medien aus. Für das Erreichen der Entwicklungsziele ist es hingegen wichtig, dass Medien demokratische Prozesse vorantreiben und etablieren können. Erst dann können Bürger ihre Regierungen zur Rechenschaft bitten und verlangen, dass die Verwendung öffentlicher Mittel transparent sei.
Thomas Deve, UNDP, Simbabwe/Afrika, Journalist, Entwicklungsexperte, Vorstandsmitglied des Media Institute of Southern Africa (MISA), ehemals Online Redakteur der Tageszeitung The Daily News.
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Benjamin Leers, Autor und Producer für Dokumentarfilme in Köln, Deutschland. Verbrachte zehn Monate auf den Philippinen und engagiert sich für Partnerschaftsprojekte in Tansania. Autor des Buches „Zwischen Selbstzensur, Korruption und Bewaffnung. Konsequenzen der Gewalt an Medienvertretern am Beispiel lokaler Radiojournalisten in der philippinischen Provinz. LIT-Verlag, 2009.