Glaubwürdig ist, wer die Medienselbstkontrolle nicht vergisst
Im Zeitalter von Berlusconi und Co. sollten Bürger in die Lage versetzen werden, die Mechanismen der Medien besser zu verstehen: Warum schaffen es manche Nachrichten in die Medien und andere nicht? Will die Presse unabhängig bleiben, müssen die Medien selbst und Mediennutzer aktiv werden. Welches Potenzial bergen dafür alte und neue Instrumente der Medienselbstkontrolle? Damit beschäftigt sich MediaAcT, ein internationales Forschungsprojekt. Es untersucht Entwicklung und Einfluss verschiedener Formen der Medienselbstkontrolle in West- und Osteuropa sowie zwei arabischen Ländern. Erstmals werden auch innovative Instrumente der Medienregulierung (etwa Medienblogs, Online-Ombudsleute) vergleichend analysiert. Susanne Fengler, Professorin für Internationalen Journalismus am Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund und Geschäftsführerin des Erich-Brost-Instituts für internationalen Journalismus leitet das EU-geförderte Projekt MediaAct. Von ihr wollte der MDG-Medien-Blog wissen:
Was hat den Anstoß für Ihr Projekt Media Accountability and Transparency in Europe (MediaAcT) gegeben?
Susanne Fengler: Traditionelle Instrumente der Medienselbstkontrolle wie zum Beispiel Presseräte sind nicht mehr in der Lage, den Herausforderungen durch das Internet zu begegnen. Das zeigt zum Beispiel der Fall eines jungen Mannes aus den Niederlanden. Bei seiner Jobsuche wurde ein Interview für ihn zum Einstellungshindernis, das er acht Jahre zuvor gegeben hatte. Es ließ sich bei Google finden und die Zeitung weigerte sich, es zu löschen. Der Mann wandte sich an den niederländischen Presserat, doch die Experten waren ratlos. Sie wussten nicht, wie sie darauf reagieren sollten. Das Internet stellt nicht nur Wissenschaftler und Fachleute vor neue Probleme, sondern setzt auch die Medien unter großen Druck. Viele Anzeigen sind ins Internet abgewandert und die Redaktionen leiden unter Sparwellen. Die Verlage suchen nach Synergien und das führt zu einer steigenden Medienkonzentration. Gerade deshalb ist eine funktionierende Medienselbstkontrolle wichtig. Trotzdem gibt es bislang kaum Forschung zu innovativen Ansätzen von Selbstkontrolle und auch kaum vergleichende empirische Forschung. Diese Forschungslücke will MediaAcT schließen. Wir vergleichen Formen der Medienselbstkontrolle in 13 Ländern in Europa und der arabischen Welt und schauen, wo es neue Formen von Medienselbstkontrolle gibt und welche Ansätze vielleicht besonders gut funktionieren.
Was zeichnet sich bereits im Vorfeld ab?
Fengler: Wir gehen davon aus, dass sich die Ansätze von Medienselbstkontrolle in den verschiedenen journalistischen Kulturen unterscheiden. Die zentral- und nordeuropäischen Länder haben zum Beispiel eine lange Tradition institutionalisierter Medienselbstkontrolle. So gibt es in Deutschland und den skandinavischen Ländern schon recht lange Presseräte. Zwischen 1950 und 1970 gab es eine regelrechte Gründungswelle und die meisten Presseräte bestehen seitdem auch durchgehend. Die osteuropäischen Länder haben diese Modelle im Transformationsprozess in den 1990er Jahren zum Teil kopiert. So gibt es seitdem in Polen einen Presserat, in Estland sogar zwei. In anderen osteuropäischen Staaten wie etwa Rumänien gibt es dagegen keinen Presserat. Auch bei der Medienpublizistik gibt es recht unterschiedliche Entwicklungen. In Großbritannien spielt Medienjournalismus zum Beispiel schon seit Daniel Defoe eine wichtige Rolle. Mittlerweile spielt sich auf diesem Gebiet auch viel im Netz ab, zum Beispiel auf Seiten wie journalism.co.uk. Da sind die Briten in Europa der Vorreiter. In den nordafrikanischen Staaten sieht es da aber noch recht mau aus. Wir wollen mit unserem Projekt deshalb auch Anstöße geben.
Wie könnten innovative Formen in andere Kulturen übertragen werden?
Fengler: Bei dem Transfer über die Grenzen journalistischer Kulturen hinweg spielt das Internet sicherlich eine entscheidende Rolle. Es ist leichter, neue Ideen im Netz auszuprobieren als eine Institution wie den Presserat zu gründen. Deshalb wollen wir zum Beispiel an die Blogger herankommen und die Blogosphäre für Medienselbstkontrolle interessieren. Wie gut so etwas funktioniert, zeigt ja zum Beispiel der BILDblog.
Verantwortliche und pluralistische Medien sind entscheidend für Demokratien – und auch für das Erreichen der UN-Millennium-Ziele. Was kann Medienselbstkontrolle auch in Zeiten wachsender Medienkonzentration bewirken?
Fengler: Im Zeitalter von Berlusconi und Co. müssen wir die Bürger in die Lage versetzen, die Mechanismen der Medien zu verstehen: Warum schaffen es manche Nachrichten in die Medien und andere nicht? Das ist zum Beispiel in Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern, wo die Medien in der Hand weniger und zum Teil ausländischer Konzerne sind, ein großes Thema.
Die Presseräte etwa in Deutschland www.presserat.info oder in Großbritannien www.pcc.org.uk sind gegründet worden, um die Medien von staatlichen Eingriffen fernzuhalten – um quasi dem Gesetzgeber zuvorzukommen. Will die Presse unabhängig bleiben, müssen die Medien selbst und Mediennutzer aktiv werden.
Wie wollen Sie die relevanten Stakeholder für Ihr Thema interessieren?
Fengler: Wir wollen bei den politisch Verantwortlichen, den Medienmanagern, den Lesern und natürlich den Journalisten ein Bewusstsein für die Bedeutung von Medienselbstkontrolle schaffen. Medienmachern und Managern muss klar werden, dass sie zum Beispiel über Ombudsmänner einen besseren Kontakt zu ihren Lesern bekommen und ihnen das langfristig auch ökonomisch nutzt. In Deutschland sind es die Qualitätsmedien wie der Spiegel, die viel Geld in eine Gegenrecherche und Dokumentation stecken. Das macht sie glaubwürdig. Darüber hinaus wollen wir politische Empfehlungen für EU-Gesetzgeber entwickeln und allen Verantwortlichen Rüstzeug an die Hand geben. Wir denken zum Beispiel an ein Handbuch mit Beispielen gelungener Ansätze.
Wie haben politisch Verantwortliche auf Ihr Projekt reagiert?
Fengler: Wir haben den Eindruck, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Medienselbstkontrolle bei den Verantwortlichen wächst. Für unser Advisory Board konnten wir unter anderem den früheren Medienbeauftragten der OSZE, Prof. Dr. Miklos Haraszti, gewinnen. Bislang haben wir sehr positive Reaktionen auf unser Projekt bekommen. MediaAcT ist das einzige von einer deutschen Einrichtung koordinierte Projekt mit Medienbezug, das im Siebten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union unterstützt wird.
Wie schätzen Sie das Potenzial von Medienselbstkontrolle ein?
Fengler: Medienselbstkontrolle ist ein Schlüsselindikator für ein pluralistisches Mediensystem und hat ein enormes Potenzial, das bislang leider zum Teil noch brach liegt. Gerade das Internet mit seinen vielfachen Beteiligungsmöglichkeiten bietet viel Raum für Innovationen.
Asiens Medien-Erneuerer
Janala“ heißt „Fenster“ auf Bangla und bietet dreiminütige Hörübungen und Rätsel an, die durch Textmittelungen im Mobilfunk übermittelt werden. Eine dieser Übungseinheiten kostet 7 Cent. Menschen in Bangladesch bekommen so mittels Handy Zugang zu ganz neuen Bereichen der Fort- und Weiterbildung. Der Australische Professor und Journalist Stephen Quinn hat Innovationen in den Asiatischen Medien untersucht. Der MDG-Medien-Blog fragte nach den wichtigsten Ergebnissen: weiterlesen…
Türöffner eGovernment: Kleine Lösungen mit großem Potenzial
Schon der Zugang zu Informationen, die in der entwickelten Welt als selbstverständlich gelten, wirkt unmittelbar positiv auf Entwicklung. Es nicht immer um große Technikprojekte. Vielfach sind es die kleinen Lösungen, die aus dem lokalen Problemkontext heraus entstehen, die dann auch besser vor Ort akzeptiert werden. In Kenia wurde beispielsweise ein elektronisches System installiert, mit dem anonym Korruptionsfälle gemeldet werden können – in der Region ein Novum. Es wurde mit geringem Investitionsaufwand realisiert. Auch in der Telemedizin oder beim eLearning sind konkrete entwicklungspolitische Beiträge bereits sichtbar – so Prof. Dr. Tino Schuppan, Wissenschaftlicher Direktor des Institutes füreGovernment, eine an der Universität Potsdam eingetragene Einrichtung. Im Interview für den MDG-Media-Blog fragte ihn Karla Sponar: weiterlesen…
Mobile Reporting: Neue Perspektiven für den schwarzen Kontinent
Afrika – ein Kontinent der Rückständigkeit, der Kriege, Krisen und Katastrophen. Dieses Bild ist in vielen Köpfen nach wie vor fest verankert. Doch der schwarze Kontinent hat mehr zu bieten. Zum Beispiel im Medienbereich: Mit der oft zitierten digitalen Revolution veränderte sich auch in Afrika das Verhältnis von traditionellen zu Neuen Medien.
Der Begriff „mobile Revolution“ ist zu einem Schlagwort geworden, wenn es um die Beobachtung medialer Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent geht. Dieser Begriff spielt auf die rasante Verbreitung der Mobilfunktechnologie an. Dies gilt nicht nur für den meist fortschrittlicheren Norden des Kontinentes, sondern vor allem auch für die Mehrheit der Staaten Sub-Sahara Afrikas. In einem Beitrag, der von der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht wurde heißt es, dass bereits 70% des Telekommunikationsnetzes in Sub-Sahara Afrika durch Handybetreiber kontrolliert werden. weiterlesen…
Venezuela im Schatten der Selbstzensur
Das Alarmsystem des Instituts für Presse und Gesellschaft in Venezuela (IPYS) hatte zwischen Mai 2002 und Mai 2009 allerhand zu tun: Es verzeichnete in 464 Fällen Angriffe auf Medien und Journalisten oder Einschränkungen der Pressefreiheit. Das waren im Durchschnitt sieben Zwischenfälle pro Monat. Und die Situation heizt sich zunehmend auf. weiterlesen…
Journalismus zwischen Hoffen und Bangen: Beispiel Philippinen
Raymund Villanueva erinnert sich noch immer mit Schrecken an den 02. Juli 2006. Am frühen Morgen dieses Sonntags wurde das kleine Funkhaus des von ihm mit aufgebauten Community Senders „Radyo Cagayano“ komplett niedergebrannt. Gegen zwei Uhr drangen acht vermummte Soldaten auf das Gelände in der Kleinstadt Baggao im Norden der Philippinen ein, fesselten und knebelten die Mitarbeiter und setzten die gesamte Station mit Benzin in Brand. Radyo Cagayano hatte erst wenige Wochen zuvor mit den Sendungen begonnen und sich vor allem für die Interessen der ortsansässigen Bauern eingesetzt. Bis heute konnte Radyo Cagayano nach einem Mord an einem Mitarbeiter und schweren Repressalien die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Raymund Villanueva unterstützte den Sender mit technischem Equipment und Know-How, nachdem sein eigenes Radioprogramm noch am Tag des Notstandsgesetzes vom 24. Februar 2006 durch die Regierung verboten wurde. weiterlesen…
Nachrichten als Rohstoff – Erfahrungen aus Afrika
Die meisten afrikanischen Regierungen und Schlüsselakteure im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit argumentieren derzeit wiederholt, dass die Millennium Entwicklungsziele (MDG) bis 2015 nicht erreicht werden können. Sie begründen dass mit fehlenden finanziellen Mitteln und einem feindlichen wirtschaftlichen Umfeld. Fehlender politischer Wille wird selten angesprochen, ebenso wenig Missbrauch bestehender Ressourcen – beides Bereiche, die dringend mehr Aufmerksamkeit benötigen. Empirische Belege zur Verwirklichung der Entwicklungsziele zeigen, dass es für Regierungen in Entwicklungsländern zu früh ist, diese Ziele aufzugeben, da gerade erst die Hälfte der Zeit bis zur gesetzten Frist verstrichen ist. weiterlesen…
Presse.Freiheit.Entwickeln
Podiumsdiskussion am Donnerstag, 1. Oktober 2009 | 18 Uhr
Deutsche Welle | Kurt-Schumacher-Str. 3 | 53113 Bonn
Wie Journalisten insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent diese Rolle erfüllen können – darüber diskutieren:
Ludger Schadomsky, Deutsche Welle / Holger Ehling, Reporter ohne Grenzen / Renate Schröder, Europäische Journalisten Föderation / Moderation: Monika Hoegen / Keynote: Thomas Deve, Journalist Simbabwe, UN-Millenniumkampagne weiterlesen…
Weniger Medienfreiheit in Südosteuropa
In den letzten Jahren haben die Staaten Südosteuropas eine höchst unterschiedliche Entwicklung genommen: Bulgarien und Rumänien sind Mitglieder der EU – wurden von dieser aber 2008 abgestraft, weil es in Bereichen wie Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Korruptions-Bekämpfung nur schleppend voran geht. Kroatien hat gute Chancen, in naher Zukunft der Union beizutreten – trotz der Unruhen in diesem Jahr. Gleiches gilt für Montenegro und Mazedonien. Dagegen ist die Lage in Bosnien-Herzegowina unter der Oberfläche weiterhin sehr instabil. In Serbien kämpfen zwei etwa gleich große Blöcke in der Bevölkerung um den zukünftigen Kurs des Landes: Annäherung an die EU oder Konfrontation mit dem Westen, mit Anlehnung an Russland. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hat die Fronten weiter verhärtet. Außerdem präsentiert sich die neue Republik auch im Innern durch die weiterschwelenden Konflikte zwischen ethnischen Albanern und verschiedenen Minderheiten als höchst fragiles Gebilde. Albanien selbst – in die Konflikte der Region wegen der ethnisch-albanischen Bevölkerungen im Kosovo und in Mazedonien verstrickt – wird in seiner Entwicklung weiterhin von Armut, Korruption und organisiertem Verbrechen zurückgehalten. weiterlesen…
Investigativer Journalismus in Lateinamerika: wirkungsvoll, aber geschwächt
Das System funktioniert fast reibungslos: Sie kämpfen mit Worten gegen bestehende verfilzte Regime, gewinnen so Wählermassen für sich, besetzen Regierungsposten und setzen dann fort, was sie vorher beklagt haben: Korruption. Die Presse in Lateinamerika mag viele Defizite haben. Doch in einem ist sie nach wie vor effektiv: Sie ist immer noch eine der Haupttriebfedern im Kampf gegen Missbrauch, Betrug und Veruntreuung der Amtsträger im öffentlichen Leben, schreibt der mehrfach für investigativen Journalismus international ausgezeichnete Leiter des Instituts IPYS in Peru, Ricardo Uceda. Désiré Therre hat den Artikel aus dem Spanischen ins Deutsche übertragen. weiterlesen…
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