Freie Medien für mehr Transparenz und Entwicklung

Weniger Medienfreiheit in Südosteuropa

Blog von Dr. Dirk Förger, Sofia/Bulgarien

Blog von Dr. Dirk Förger, Sofia/Bulgarien. Foto: D. Förger

In den letzten Jahren haben die Staaten Südosteuropas eine höchst unterschiedliche Entwicklung genommen: Bulgarien und Rumänien sind Mitglieder der EU – wurden von dieser aber 2008 abgestraft, weil es in Bereichen wie Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Korruptions-Bekämpfung nur schleppend voran geht. Kroatien hat gute Chancen, in naher Zukunft der Union beizutreten – trotz der Unruhen in diesem Jahr. Gleiches gilt für Montenegro und Mazedonien. Dagegen ist die Lage in Bosnien-Herzegowina unter der Oberfläche weiterhin sehr instabil. In Serbien kämpfen zwei etwa gleich große Blöcke in der Bevölkerung um den zukünftigen Kurs des Landes: Annäherung an die EU oder Konfrontation mit dem Westen, mit Anlehnung an Russland. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hat die Fronten weiter verhärtet. Außerdem präsentiert sich die neue Republik auch im Innern durch die weiterschwelenden Konflikte zwischen ethnischen Albanern und verschiedenen Minderheiten als höchst fragiles Gebilde. Albanien selbst – in die Konflikte der Region wegen der ethnisch-albanischen Bevölkerungen im Kosovo und in Mazedonien verstrickt – wird in seiner Entwicklung weiterhin von Armut, Korruption und organisiertem Verbrechen zurückgehalten.

Für eine echte Überwindung der Probleme und insbesondere der Konflikte, die zu den Gewaltausbrüchen und Kriegen in der Region geführt haben, muss das Verständnis der verschiedenen Staaten und Völker füreinander (wieder) geweckt werden. Die Menschen in der Region müssen erkennen, dass sie gemeinsame Interessen haben (Frieden, Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung, Integration in die EU), voneinander lernen können (Wiederaufbau, Demokratisierung) und viele Probleme, die vor Grenzen keinen Halt machen, nur gemeinsam lösen können (Umweltschutz, organisiertes Verbrechen).

Landschaft um das bulgarische Plovdiv - eine der ältesten Städte Europas

Landschaft um das bulgarische Plovdiv - eine der ältesten Städte Europas. Foto: D. Förger

Aber selbst unter Journalisten sind Vorurteile, negative Emotionen, manchmal gar Hass gegenüber Menschen anderer kultureller oder ethnischer Herkunft weit verbreitet. Häufig werden in Medien die Minoritäten oder Nachbarländer für negative Entwicklungen verantwortlich gemacht, statt eigene Versäumnisse zu kritisieren. Siehe dazu auch die letzte Nachricht der in Wien ansässigen Südosteuropa Medienorganisation SEEMO (Mitglied des IPI) vom 30. Juli 2009.

Viele Menschen in Südosteuropa nutzen immer noch den Krieg oder historische Ereignisse als Entschuldigung, um Veränderungen der aktuellen Situation nicht wirklich anzustreben. Journalisten unterschiedlicher Nationalität reden oft genug übereinander statt miteinander.

Leider muss im Medienbereich eine Verschlechterung der allgemeinen Situation festgestellt werden: Nicht nur das „Freedom House“, der „International Research and Exchange Board“, das „European Journalism Centre“ und das „Committee to Protect Journalists“ weisen weiterhin auf große Defizite in der Medienfreiheit hin. Betrachtet man den aktuellen „World Press Freedom Index 2008“ von „Reporter ohne Grenzen“, ist insgesamt eine negative Tendenz erkennbar. Bulgarien stürzte gar von Platz 35 (2006) über 51 (2007) auf 59 (2008) ab ‑ und liegt damit in der EU an letzter Stelle. „Der Regierung ist es dort bisher nicht gelungen, Korruption und Gewalt einzudämmen. Journalisten müssen Übergriffe von politischer wie krimineller Seite fürchten“, heißt es ausdrücklich im Bericht. In Moldawien scheint es nach international bisher wenig beachteten Berichten von Kollegen noch schlimmer um die Sicherheit von Journalisten bestellt zu sein als im Rest von Südosteuropa.

Bulgarische Umweltjournalisten bei Dreharbeiten

Bulgarische Umweltjournalisten bei Dreharbeiten. Foto: D. Förger

Dass all die negativen Beurteilungen nicht von ungefähr kommen, lässt sich unter anderem an der zunehmenden Anzahl von Übergriffen auf Journalisten und Menschen im Medien-Umfeld in Südosteuropa ablesen. Mit der letztgenannten Gruppe sind Kollegen gemeint, die einerseits als Reporter oder journalistische Buchautoren arbeiten, denen andererseits aber auch eigene Verbindungen zu zwielichtigen Kreisen nachgesagt werden. Dabei sind die Grenzen zwischen „journalistischen Verbindungen“ zwecks Recherche und eigenen Verstrickungen fließend. Beispiel dafür ist Ognjan Stefanov, der in Sofia am 23. September 2008 Opfer eines äußerst brutalen Angriffs wurde. Stefanov ist Chefredakteur des  Nachrichtenportals „Frognews“. Sein Name wurde von vielen Zeitungen auch mit der Website „Opasnite Novini“ („Gefährliche Nachrichten“) in Verbindung gebracht, die brisante Neuigkeiten über Regierungsmitglieder und den Geheimdienst enthält.

Am 4. Juni 2008 wurde der kroatische „Jutarnji List“-Journalist Dusan Miljus mit Baseballschlägern angegriffen. Grund war seine Recherche über organisierte Kriminalität und Korruption mit Verbindungen bis in höchste politische Kreise. Am 23. Oktober 2008 kam dann der Besitzer der kroatischen Zeitung „Nacional“, Ivo Pukanic, bei einer Bombenexplosion im Zentrum der kroatischen Hauptstadt Zagreb ums Leben. Der 47-jährige galt als einer der umstrittensten Journalisten in Kroatien: Einerseits gab es auch hier wieder Vorwürfe der Mafia-Verstrickung. Anderseits war Pukanic ein mit mehreren Pressepreisen ausgezeichneter Journalist. Miloš Vasić von der Wochenzeitung „Vreme“ wertete den Mord als „Eskalation der Krise in Kroatien, die durch den Kontrollverlust über das organisierte Verbrechen mitbedingt wird“.

Korruption und Günstlingswirtschaft fördern einander – was auch vor den Medien nicht Halt macht. In Fachkreisen wird hinter vorgehaltener Hand davon gesprochen, dass gegen „Sachleistungen“ (etwa kostenlose Einladungen in Luxushotels) oder Zahlung von Geld unliebsame Recherchen und Artikel verhindert werden können. Insbesondere in Wahlkämpfen ist mit starkem politischen Druck auf Journalisten zu rechnen.

Immer noch ist bei vielen Medien auf dem Balkan unklar, wer die eigentlichen Besitzer sind. Der Öffentlichkeit werden zwar bestimmte Personen präsentiert. Diese sind aber meist nur Marionetten in den Händen der eigentlichen Geldgeber, die ihrerseits Vertreter bestimmter politischer Parteien, größerer ökonomischer Gruppierungen (die meist auch politische Interessen haben) oder von Verbrecher-Syndikaten sind.

Insgesamt sind die Medien damit nur sehr eingeschränkt in der Lage, ihrem Auftrag als „Vierte Gewalt“ nachzukommen. Eine Analyse der Medienlandschaft in Südosteuropa, durchgeführt von der Access Stiftung in Sofia, weist auf die hohe politische und wirtschaftliche Abhängigkeit der Medien hin. Hinzu kommt die schwache Stellung der Journalisten gegenüber den Medieneigentümern, das Fehlen eines entwickelten investigativen Journalismus sowie journalistische Selbstzensur. Dabei ist es nur schwer möglich, einen einzelnen Verantwortlichen für die Situation zu identifizieren. Vielmehr handelt es sich um ein Versagen aller relevanten Bereiche: der Medien selbst, der Politik und des Rechtsstaates.

Dr. Dirk Förger (49), promovierter Biologie, Wissenschaftsjournalist für “Die Welt”. TV und Radiojournalist in der ARD, PR-Manager in großen Industrieunternehmen und Verbänden. Lehraufträge über Medien und Journalismus an den Universitäten Heidelberg, Mainz, Münster, München, Zagreb, Dubrovnik, Belgrad und Sofia, derzeit Leiter Medienprogramm für Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Thomas Deve, UNDP, Simbabwe/Afrika, Journalist, Entwicklungsexperte, Vorstandsmitglied des Media Institute of Southern Africa (MISA), ehemals Online Redakteur der Tageszeitung The Daily News.


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